Urteil
Anfechtung einer Personalratswahl

Gericht:

OVG Koblenz 5. Senat


Aktenzeichen:

5 A 11469/05.OVG


Urteil vom:

08.03.2006


Tenor:

Die Berufung der Antragsteller gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz (Fachkammer für Personalvertretungssachen - Land -) vom 16. September 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit einer Personalratswahl.

Am 9. Mai 2005 fand die Wahl zum Personalrat bei der Kreisverwaltung M. statt. In das Verzeichnis der Wahlberechtigten wurden insgesamt vier Beamte und dreizehn Angestellte nicht aufgenommen, denen jeweils mit ihrem Einverständnis sowie der Zustimmung des Personalrats zum 1. Januar bzw. 1. Februar 2005 eine Tätigkeit bei der vom Landkreis und der in seinem Gebiet tä­tigen Agentur für Arbeit durch öffentlich-rechtlichen Vertrag errichteten Arbeits­ge­meinschaft - ARGE - zugewiesen worden war. Zu diesem Personenkreis ge­hörten auch die Antragsteller zu 1), 4) und 8). Die hiergegen u.a. von ihnen ein­gelegten Einsprüche wurden vom Wahlvorstand am 21. April 2005 unter Hinweis auf § 10 Abs. 2 Satz 3 Landespersonalvertretungsgesetz - LPersVG - zurückge­wiesen. Danach ende in den Fällen der Zuweisung das Wahlrecht bei der abge­benden Dienststelle mit Ablauf von drei Monaten. Mit dem Verlust der Wahlbe­rechtigung erlösche auch die Wählbarkeit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LPersVG.

Mit ihrem Wahlanfechtungsantrag haben die Antragsteller geltend gemacht, die Verwehrung des aktiven und passiven Wahlrechts verletze wesentliche Bestimmungen über das Wahlrecht und die Wählbarkeit. Nach dem Landespersonal­vertretungs­gesetz sei grundsätzlich nur ein Wechsel des Wahlrechts und der Wählbarkeit zulässig, nicht aber ihr Verlust. Letzteren sehe § 10 Abs. 4 LPersVG nur ausnahmsweise für die Leiterin oder den Leiter der Dienststelle und deren Stellvertreter vor. In Übereinstimmung damit sei § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG nur anwendbar, wenn dem Verlust des Wahlrechts bei der Kreisver­waltung der Erwerb eines solchen bei der ARGE gegenüberstehe. Das sei nicht der Fall. Denn die ARGE stelle mangels Dienstherreneigenschaft keine Dienststelle im Sinne des Landespersonalvertretungsrechts dar, sodass bei ihr kein Personalrat gebildet werden könne. Im Hinblick darauf müsse § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG im Sinne der Erhaltung des Wahlrechts zum Personalrat der Anstellungskörperschaft aus­gelegt werden. Die der ARGE zugewiesenen Beamten und Angestellten hätten demnach in die Wählerverzeichnisse aufgenommen werden müssen. Dies gelte umso mehr, als der Personalrat bei der Kreisverwaltung auch nach Ablauf von drei Mo­naten für die der ARGE zuge­wiesenen Beamten und Angestellten zuständig bleibe. Ein er­satzloser Verlust des Wahlrechts widerspreche insbesondere auch dem Demokratie­prinzip, wonach derjenige, der durch ein Gremium vertreten werde, auch das Wahlrecht zu diesem Gremium besitzen müsse. Mangels Ver­lustes der Wahlberechtigung hätte auch die Bewerbung einer der ARGE zuge­wiesenen Angestellten zur Personalratswahl nicht zurückgewiesen werden dürfen. Die erforderliche Kausalität sei gegeben. Es sei nicht auszuschließen, dass das Ergebnis der Personalratswahl durch die Nichtzulassung des in Rede stehenden Personenkreises zur Wahl beeinflusst worden sei.


Die Antragsteller haben beantragt,

die am 9. Mai 2005 erfolgte Wahl des Personalrats bei der Kreisverwaltung M. für ungültig zu erklären.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten, indem er sich der Begründung des Wahl­vorstandes zur Zurückweisung der Einsprüche angeschlossen hat.

Das Verwaltungsgericht hat den Wahlanfechtungsantrag abgelehnt. Die Nicht­zulassung derjenigen Beamten und Angestellten zur Personalratswahl, die der ARGE im Zeitpunkt der Personalratswahl länger als drei Monate zur Dienst- bzw. Arbeitsleistung zugewiesen gewesen seien, ent­spreche den gesetzlichen Vor­gaben der §§ 10 Abs. 2 Satz 3 und 11 Abs. 1 Satz 1 LPersVG. Danach sei für das Wahlrecht das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis maßgeblich. Dieses bestehe nach der Zuweisung zur ARGE dort und nicht mehr bei der Kreisverwaltung. Der Verlust des Wahlrechts in der Kreisverwaltung ohne Er­werb eines Wahlrechts in der ARGE verstoße auch nicht gegen das Demokratie­prinzip oder die Wahlrechts­grundsätze. Die Einschränkung des aktiven und passi­ven Wahlrechts sei wegen der fehlenden tatsächlichen Bindung an die Stamm­dienststelle bei einer wie hier über mehrere Jahre angelegten Zuweisung vielmehr sachlich gerechtfertigt.

Gegen diese Entscheidung haben die Antragsteller die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der sie ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhalten und beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz die am 9. Mai 2005 erfolgte Wahl des Personalrats bei der Kreisver­waltung M. für ungültig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die rechtliche Prüfung.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schrift­sätze der Beteiligten sowie die Wahlunterlagen (1 Ordner) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Wahlan­fechtungsantrag zu Recht abgelehnt. Die am 9. Mai 2005 durchgeführte Personal­ratswahl bei der Kreisverwaltung M. leidet an keinem ihre Ungültigkeit herbeiführenden Mangel im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 LPersVG. Diejenigen Beamte und Angestellte, denen am Wahltag schon länger als drei Monate eine Tätigkeit bei der ARGE zugewiesen war, sind zu Recht nicht in die Wählerver­zeichnisse aufgenommen worden und durften infolgedessen nicht an der Wahl teilnehmen. Sie waren zum Zeitpunkt der Wahl gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG nicht wahlberechtigt und damit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LPersVG auch nicht wählbar (1). Der Verlust des Wahlrechts und der Wählbarkeit ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar (2).

(1) Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung ist § 10 Abs. 1 LPersVG. Danach sind alle Beschäftigten wahlberechtigt. Zu diesen zählen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 LPersVG u.a. diejenigen, die auf der Grundlage eines Beamten- oder Ange­stelltenverhältnisses in eine Dienststelle eingegliedert sind und an der Erfüllung der dieser Dienststelle obliegenden öffentlichen Aufgaben mitwirken. Ausschlag­gebend für die Beschäftigteneigenschaft ist dabei nicht die rechtliche, sondern die tatsächliche Eingliederung in die Dienststelle. Letztere wird durch die arbeits­mäßige sowie organisatorische Einbindung in den Dienstbetrieb, das Weisungs­recht der Dienststelle und die insoweit korrespondierende Weisungsgebundenheit des Beschäftigten geprägt. Dahinter steht die Überlegung, dass die Belange der Beschäftigten im Interesse einer wirksamen Vertretung von der Personal­ver­tretung wahrgenommen werden, die am ehesten zum Wohl der Beschäftigten (§ 2 Abs. 1 LPersVG) tätig werden kann. Das ist aber der Perso­nalrat, der bei der Dienststelle ge­bildet ist, die die konkreten Be­dingungen der Dienst- und Arbeits­leistung der Be­schäftigten in persönlicher und sachlicher Hinsicht festlegt. Dieser ist aufgrund der räumlichen und sachlichen Nähe sowie der Personenkenntnis in besonderer Weise in der Lage, die wechselseitigen Interessen der Beschäftigten und der Dienststelle sowie die Erfordernisse für eine effektive Auf­gabenerfüllung einzuschätzen und ent­sprechend § 2 Abs. 1 LPersVG in Zusammenarbeit mit der Dienststelle auf eine daran aus­gerichtete Ausgestaltung des Dienstbetriebes und der Beschäftigungsverhältnisse hinzuwirken (stRspr., vgl. z.B. BVerwG, PersV 1985, 164 [165], BVerwGE 99, 230 [231 f.] und PersR 2002, 438). Gemessen hieran standen die der ARGE zur Dienst- bzw. Arbeitsleistung zugewiesenen Beamten und Angestellten am Wahltag objektiv gesehen nicht (mehr) in einem tatsäch­lichen Beschäftigungsverhältnis zum Landkreis. Mit dem Wirksamwerden der Zu­weisung zum 1. Januar bzw. 1. Februar 2005 endete vielmehr ihre tatsächliche Eingliederung in die Kreisverwaltung. Nach dem Grundtatbestand des § 10 Abs. 1 LPersVG wäre damit zugleich auch der Verlust der Wahlberechtigung und als Folge davon der Wählbarkeit eingetreten. Lediglich aufgrund der ge­setz­lichen Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG behielten die von der Zuweisung betroffenen Beamten und Angestellten nach tatsächlicher Aufgabe ihrer Tätigkeit in der Kreis­verwaltung für eine kurze Übergangszeit dort zunächst noch das aktive und passive Wahlrecht. Danach verlieren die nach § 123 a Beamten­rechtsrahmengesetz - BRRG - oder aufgrund entsprechender ar­beits­vertraglicher Vereinbarung einer anderen Einrichtung zugewiesenen Beamten und Angestellten das Wahlrecht bei der abgebenden Dienststelle nämlich erst, sobald die Zuweisung länger als 3 Monate gedauert hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Zuweisung ist die Übertragung einer dem Amt entsprechenden bzw. gleichbe­werteten Tätigkeit bei einer Einrichtung ohne Dienstherreneigenschaft unter Aufrechterhaltung der Rechtsstellung der Beamten bzw. Angestellten. Dement­sprechend werden mit der Zuweisung lediglich die fachlichen Weisungsbefugnisse und damit die sachbezogene Kontrolle auf die Dienst- und Arbeitsleistung sowie deren Ergebnis auf die ARGE übertragen. Die Entscheidungen über die persönlichen, das Dienst- und Angestelltenverhältnis betreffenden Angelegenheiten und somit die personenbezogene Kontrolle, die sich vor allem in dienstlichen bzw. arbeitsrechtlichen Weisungen äußert, bleibt demgegenüber der abgebenden Dienststelle vorbehalten. Hinsichtlich der Beamten findet die Zuweisung ihre Rechtsgrundlage in § 123 a Abs. 1 Satz 2 BRRG (vgl. so auch: Kersten, ZfPR 2005, 130 [149]; Kathke in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand: Februar 2006, Teil C Vor §§ 28 f. Rn. 129). Danach kann einem Beamten mit seiner Zustimmung vorübergehend eine seinem Amt entsprechende Tätigkeit bei einer anderen Einrichtung als einer öffentlichen Einrichtung außerhalb des Anwendungsbereiches dieses Gesetzes zugewiesen werden, wenn dringende öffentliche Interessen dies erfordern. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nicht auf privatrechtliche Einrichtungen beschränkt. Sie ist eine Modifikation von § 123 a Abs. 1 Satz 1 BRRG, mit dem in der Regel die Zuweisung zu supra- oder internationalen Orga­nisationen sowie anderen Staaten und deren Einrichtungen im In- und Ausland erfasst werden. Im Hinblick darauf, ist auch im Rahmen des § 123 Abs. 1 Satz 2 BRRG entscheidend darauf abzustellen, dass die Einrichtung materiell gesehen außerhalb des gesetzlichen Anwendungsbereiches liegt. Das bedeutet, die betreffende (private oder öffentliche) Einrichtung darf nicht dem deutschen Dienst­recht unterworfen sein. Das ist hinsichtlich der ARGE zu bejahen. Denn es handelt sich insoweit um eine öffentliche Einrichtung ohne Dienstherreneigenschaft.

Letztere besitzen nach der abschließenden Regelung des § 121 BRRG nur der Bund, die Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände sowie sonstige Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, die dieses Recht im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des BRRG besaßen oder denen es nach diesem Zeitpunkt durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung verliehen wurde. Hierzu gehört die ARGE erkennbar nicht. Zwar wurde sie vom Landkreis M. und der in seinem Gebiet tätigen Agentur für Arbeit in Erfüllung ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach § 44 b Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gemäß §§ 53 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch und damit in öffentlicher Rechtsform errichtet. Jedoch fehlt es für eine vorliegend allenfalls in Betracht kommende dienstherrenfähige Körper­schaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts an dem insoweit jeweils zwingend erforderlichen Hoheitsakt. Sowohl Körperschaften als auch Anstalten des öffent­lichen Rechts können nur durch oder aufgrund eines Gesetzes errichtet werden, in dem diese Rechtsformen verbindlich festgelegt sind. Dies ist bei der ARGE nicht der Fall. Sie wird nicht bereits durch § 44 b SGB II, sondern - wie erwähnt - durch einen Vertrag zwischen den Leistungsträgern der Grundsicherung für Arbeits­suchende gegründet. Darüber hinaus enthält § 44 b SGB II auch keine verbind­liche Vorgaben hinsichtlich der Rechtsform, sondern lässt diese bewusst offen ("durch privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge"), um den Leistungs­trägern den größtmöglichen Freiraum für die Organisierung ihrer Aufgaben zu be­lassen (vgl. Strobel, NVwZ 2004, 1195 [1198]; Kersten, a.a.O., 146; Ruge/Vorholz, DVBl. 2005, 403 [411]; Trümmer, PersR 2005, 91 [94]). Ob die hier in Rede stehende ARGE im Übrigen als eine Gesellschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Strobel, a.a.O., 1198 f.; Trümmer, a.a.O., 94) oder eine teilrechtsfähige öffentlich-rechtliche Organisation eigener Art (vgl. SG Hannover, NVwZ 2005, 976; Berlit, jurisPR-SozR 15/2005 Anm.1; Kersten, a.a.O., 147) zu klassifizieren ist, bedarf mit Blick auf die in beiden Fällen fehlende Dienst­herreneigenschaft keiner ab­schließenden Entscheidung.

Abgesehen davon sind auch die weiteren Voraussetzungen des § 123 a Abs. 1 Satz 2 BRRG gegeben. Insbesondere waren die Zuweisungen angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Errichtung der ARGE und dem Beginn ihrer Zuständigkeit im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende von dringendem öffentlichem Interesse. Denn nach der konkreten Vertrags­gestaltung besitzt die ARGE kein eigenes Personal. Das notwendige Personal ist ihr vielmehr nach § 7 Ziffer 1 des zwischen der Kreisverwaltung und der Agentur für Arbeit geschlossenen Vertrages von den Vertragspartnern entsprechend ihrer gesetzlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen.

Die unter vergleichbaren Voraussetzungen zulässige Zuweisung hinsichtlich der Angestellten richtet sich demgegenüber nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Bundes-Angestelltentarifvertrag (Bund, Länder, Gemeinden) - BAT -. Danach kann einem An­gestellten u.a. im öffentlichen Interesse mit seiner Zustimmung vorübergehend eine mindestens gleichbewertete Tätigkeit bei einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Tarifvertrages oder bei einer anderen öffentlichen Einrichtung zugewiesen werden. Auch diese Voraussetzungen sind in entsprechender Anwendung der vorstehenden Ausführungen als erfüllt anzusehen.

Nach alledem waren die zum 1. Januar bzw. 1. Februar 2005 der ARGE zur Dienst- und Arbeitsleistung zugewiesenen Beamten und Angestellten in An­wendung des § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG damit am 9. Mai 2005 nicht (mehr) wahlberechtigt, da ihre Zuweisungen zu diesem Zeitpunkt bereits länger als drei Monate gedauert haben. Demzufolge besaßen sie auch nicht mehr das an die Wahlberechtigung anknüpfende passive Wahlrecht nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LPersVG. An diesem Ergebnis ändert insbesondere der Einwand der Antragsteller nichts, die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG sei nur anwendbar, wenn der Verlust des Wahlrechts bei der Kreisverwaltung durch den Erwerb eines Wahl­rechts bei der ARGE ausgeglichen werde. Ein derartige Einschränkung findet weder im Wortlaut der Vorschrift eine hinreichende Stütze, noch kann sie im Wege der Gesetzesauslegung hieraus abgeleitet werden.

Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG gilt in den Fällen einer Zu­weisung nach § 123 a BRRG oder aufgrund entsprechender arbeitsvertraglicher Vereinbarung Satz 1 ausschließlich hinsichtlich des Verlustes des Wahlrechts bei der ab­gebenden Dienststelle entsprechend. Danach ist die vorliegend zu beantwortende Frage klar zu verneinen. Denn die für Abordnungen geltende (Aus­nahme)Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 LPersVG wird gerade insoweit nicht für entsprechend anwendbar erklärt, als es um den Erwerb des Wahlrechts in der neuen Dienststelle geht. Dies wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Der Gesetzgeber hat den Verlust der Wahlberechtigung in der abgebenden Dienst­stelle als Folge der Zuweisung in dem Bewusstsein angeordnet, dass in der neuen Einrichtung in der Regel kein aktives Wahlrecht erworben wird (vgl. Amtl. Begr. des Gesetzesentwurfs der Landesregierung, LT-Drucks. 13/5500, S. 36). Damit hat er zu erkennen gegeben, dass der Verlust der Wahlberechtigung bei der bis­herigen Dienstelle ge­rade nicht von der Erlangung eines Wahlrechts bei der aufnehmenden Einrichtung abhängig sein soll. Schließlich sprechen auch die syste­matische und teleologische Auslegung gegen das von den Antragstellern vertretene Normverständnis. Die in einem Regel-Ausnahmeverhältnis zueinander stehenden Vorschriften des § 10 Abs. 1 und des § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG beruhen gleichermaßen auf dem Eingliederungsgedanken. Diesem Grundgedanken entsprechend ist die Fortdauer der tatsächlichen Eingliederung in die Dienststelle für die Erhaltung des Wahlrechts unentbehrlich. Fehlt sie, ist die Wahlbe­rechtigung zu versagen. Dem trägt § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG Rechnung. Des­sen Zweck ist es, das Wahlrecht an die (geänderten) tatsächlichen Verhältnisse infolge einer Zuweisung anzupassen, um zu gewährleisten, dass der Personalrat im Interesse einer wirksamen Vertretung der Belange der Beschäftigten nur von denjenigen gewählt wird, deren konkrete Dienst- und Arbeitsbedingungen mit seiner Mitwirkung festgelegt werden. Nach Ansicht des Gesetzgebers soll aller­dings nicht jede vorübergehende Abwesenheit von der bisherigen Dienststelle in­folge einer Zuweisung den Verlust des Wahlrechts rechtfertigen. Seiner Ein­schätzung nach ist die tatsächliche Eingliederung in die Dienststelle bei einer Zu­weisung für die Dauer von weniger als drei Monaten - ebenso wie bei einer ent­sprechend kurzen Abordnung - (noch) nicht in Frage gestellt. Erst wenn sich die Zuweisung über diesen Zeitraum erstreckt, ist davon auszugehen, dass die Bindungen zur abgebenden Dienststelle sowie der Kontakt zu den dortigen Mit­arbeitern derart gelockert sind, dass eine aktive Teilnahme der betreffenden Beamten und Angestellten an der Wahl des dortigen Personalrats nicht (mehr) zweckmäßig und geboten erscheint. Nach allem hängt die Frage nach dem Fort­bestand des Wahlrechts zum Personalrat bei der abgebenden Dienststelle damit allein von den tatsächlichen Gegebenheiten in Bezug auf diese Dienststelle ab. Die davon zu trennende Frage nach dem etwaigen Erwerb eines Wahlrechts in der aufnehmenden Einrichtung kann - wie im Fall der Abordnung - zwar grund­sätzlich vom Gesetzgeber mitgeregelt werden. Eine dahingehende Verpflichtung besteht aber nicht. Eine solche kann insbesondere dann nicht angenommen werden, wenn fraglich ist, ob die Regelung des Wahlrechts in der aufnehmenden Einrichtung überhaupt in die Zuständigkeit des (Landes)Gesetzgebers fällt. Letzte­res ist u.a. in Bezug auf die ARGE zweifelhaft, da es sich bei dieser nicht um eine alleinige Einrichtung des Landes, sondern eine aufgrund der bundesge­setzlichen Regelung des § 44 b SGB II geschaffene gemeinsame Einrichtung der Kreisver­waltung (Land) und der Agentur für Arbeit (Bund) handelt.

(2) Der Verlust des Wahlrechts nach § 10 Abs. 2 Satz 3 LPersVG und damit auch der Wählbarkeit nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LPersVG ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Er verstößt insbesondere nicht gegen das Demokratieprinzip, zu dessen Bestandteilen die auch bei Personalratswahlen zu beachtenden Wahlrechtsgrundsätze gehören (vgl. BVerfGE 60, 162 [169]). Bei dem Ausschluss von der aktiven und passiven Teilnahme an der Wahl geht es materiell gesehen um den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl. Er fordert, dass jeder gleichen Zugang zur Wahl haben muss. Allerdings kann dieser für Parlamentswahlen entwickelte und dort streng anzuwendende Grundsatz außerhalb des politisch-parlamen­tarischen Bereichs Einschränkungen erfahren (vgl. BVerfGE 41, 1 [12]; konkret für Personalratswahlen, BVerfGE 60, 162 [171 f.]). Diese müssen mit dem Zweck der konkreten Wahl vereinbar und dürfen nicht will­kürlich sein. Dem wird der Verlust der Wahlberechtigung und Wählbarkeit in der abgebenden Dienststelle als Folge einer Zuweisung für die Dauer von mehr als drei Monaten gerecht.

Die Personalratswahlen sind Ausdruck des sozialstaatlichen Gebots der Mit­wirkung und für die in abhängiger Arbeit tätigen Beamten und Angestellten ein wichtiges Mittel zum Schutz ihrer Menschenwürde und Persönlichkeitsentfaltung in der Dienststelle. Das Leben des Einzelnen wird zu einem ganz wesentlichen Teil durch seinen Dienst bzw. seine Arbeit bestimmt und geprägt. Das Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis beein­flusst das Selbstwertgefühl des Einzelnen ebenso wie dessen Achtung und Wert­schätzung durch Dritte. Zugleich stellt die berufliche Tätigkeit eine wesentliche Mög­lichkeit zur Entfaltung der individuellen geistigen und körperlichen Fähigkeiten und damit der Persönlichkeit dar. Vor diesem Hinter­grund haben die im öffentlichen Dienst Beschäftigten ein berechtigtes Interesse, an der Regelung der sie betref­fen­den Dienst- und Arbeitsbedingungen mitzu­wirken. Dem tragen die gesetzlichen Be­teiligungsrechte des Personalrats Rechnung. Das aktive Wahlrecht bildet dabei das Bindeglied zwischen den Be­schäf­tigten der Dienststelle und ihrem Personalrat. Letz­terer wird durch die Wahl legiti­miert, die gesetzlichen Beteilungsrechte im Inte­resse der Beschäftigten wahr­zu­nehmen und dafür zu sorgen, dass diese in einen an­ge­messenen Ausgleich mit den Erfordernissen des Dienstbetriebes gebracht werden (vgl. BVerfGE 28, 314 [323]; BVerwG, PersR 2005, 458 [462]). Eine effektive Inte­ressenvertretung setzt dabei allerdings - wie dargelegt - Kenntnis der tatsächlichen Gegeben­heiten vor Ort vor­aus. Es verstößt mithin nicht gegen das Willkürverbot, wenn der Gesetz­geber davon ausgeht, dass die länger als drei Monate einer anderen Ein­richtung zuge­wiesenen Beamten und Angestellten im Regelfall über keine vergleichbar starke soziale und betriebliche Bindung zur Dienststelle verfügen wie die dort im Zeit­punkt der Wahl tatsächlich Beschäftigten. Daher ist es sachlich vertretbar, das aktive und passive Wahlrecht auf die Beamten und Angestellten zu beschränken, die ihre weisungs­abhängige Tätigkeit tatsächlich in der Dienststelle verrichten, in der der Personal­rat gewählt wird.

Ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip lässt sich auch nicht damit begründen, dass die der ARGE zur Dienst- und Arbeitsleistung zugewiesenen Beamten und Angestellten infolge ihrer unveränderten (status)rechtlichen Zuordnung zur Kreis­verwaltung (§ 123 a Abs. 3 BRRG, § 12 Abs. 2 Satz 2 BAT) in ihren personellen Angelegenheiten auch künftig von dem dortigen Personalrat vertreten werden, sie mangels Wahlrechts auf dessen Bildung aber keinen Einfluss haben. Dem Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung der Personalvertretung, einschließlich des diesbezüglichen Wahlrechts, ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Konkrete Handlungsanweisungen sind namentlich dem Demokratieprinzip angesichts seiner Weite und Unbestimmtheit insoweit nicht zu entnehmen. Die gesetzliche Regelung muss - was nach den vorstehenden Ausführungen hier der Fall ist - lediglich dem Zweck der Personalratswahl entsprechen und darf nicht gegen das Willkürverbot verstoßen. Hinzu kommt, dass auch alle Beschäftigten, die nach der Wahl bei der Kreisverwaltung eingestellt oder an sie versetzt oder langfristig abgeordnet werden, gegebenenfalls auf Jahre hinnehmen müssen, dass ihre Interessen von einem durch sie nicht gewählten Personalrat wahrgenommen werden.

Schließlich berufen sich die Antragsteller auch ohne Erfolg darauf, dass ihnen auch bei der ARGE kein Wahlrecht zusteht, das den Verlust des Wahlrechts bei der Kreisverwaltung ausgleichen könnte. Der Verlust des Wahlrechts bei der ab­gebenden Dienststelle und der etwaige Erwerb eines solchen bei der auf­nehmenden Einrichtung stehen nach der aufgezeigten Gesetzeslage gerade in keinem Abhängigkeitsverhältnis. Dem­zufolge kann ein etwaiges personalver­tretungsrechtliches Beteiligungsdefizit bei der ARGE keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses von der Wahl zu dem bei der Kreisverwaltung zu bildenden Personalrat haben. Eine eventuelle Be­teiligungslücke kann vielmehr nur im Bereich der ARGE und ausschließlich durch den Gesetzgeber geschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsge­richtsordnung - VwGO -.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 Zivilprozessordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO ge­nannten Art nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R6706


Informationsstand: 04.01.2016