Forschungsprojekt
Beschreibung / Inhalte
Leichte Sprache wird im Zuge der Förderung von Barrierefreiheit, gesellschaftlich wie rechtlich (vgl. BGG), immer wichtiger, um möglichst vielen Menschen selbstbestimmten und eigenständigen Zugang zu Informationen zu gewähren. Ursprünglich für Menschen mit einer geistigen Behinderung entwickelt, kommt Leichte Sprache allen Personengruppen zugute, die zum Verständnis von Inhalten auf eine leicht verständliche, gut wahrnehmbare und bebilderte Sprache angewiesen sind oder von dieser profitieren (für weitere Informationen zur Leichten Sprache und ihren Regeln: Netzwerk Leichte Sprache e.V.: Leichte Sprache, https://www.leichte-sprache.org/leichte-sprache/, 23.08.2018.).
Texte in Leichter Sprache werden von Übersetzer_innen ohne Lernschwierigkeiten erstellt und von Menschen mit Lernschwierigkeiten geprüft. Die Prüfer_innen leisten dabei Arbeit, die bisher nicht entlohnt wird und damit auch kaum berufliche Anerkennung erfährt.
Diese Situation soll sich mithilfe des Modellprojekts ändern. Als Büropraktiker_innen Leichte Sprache sollen Menschen mit Lernschwierigkeiten nach ihrer Qualifizierung einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen. Neben dem Prüfen von Texten in Leichter Sprache erfüllen sie, je nach Anforderungen des Arbeitgebers und dem eigenen Fähigkeitsprofil, beispielsweise Aufgaben in den Bereichen der Selbstvertretung, der Beratung und Information oder der Büroadministration. Damit wird zum einen dem steigenden Bedarf an qualifizierten Prüfer_innen entsprochen, zum anderen wird diesen eine berufliche Anerkennung gewährt sowie Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefördert.
Der Zertifizierung als Büropraktiker_in Leichte Sprache geht eine zwölfmonatige Qualifizierungsmaßnahme, bestehend aus Theorieunterricht und Praxiserprobung, voraus. Während die Theoriephasen in insgesamt elf Blockwochen am Standort Augsburg erfolgen, verbringen die Teilnehmenden die Praxisphasen wohnortnah in einem Praktikumsbetrieb. Eine Besonderheit stellt dabei die Zugangsvoraussetzung 'geistige Behinderung' (mind. GdB 50) dar. Entgegen gängiger, defizitorientierter, Bemühungen, 'Einschränkungen' zugunsten der Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit auszugleichen, ermöglicht hier erst das vermeintliche Defizit eine Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme. Die Aufgaben einer Büropraktiker_in Leichte Sprache können ausschließlich von Menschen mit Lernschwierigkeiten umfassend erfüllt werden.
Zur Entwicklung der Qualifizierungsmaßnahme arbeiten insgesamt zehn Mitarbeiter_innen, davon zwei Mitarbeitende mit Lernschwierigkeiten, an den Standorten Augsburg und Berlin inklusiv zusammen. Zusätzlich unterstützen fünf inklusive Teams des Netzwerks Leichte Sprache e.V. die Projektteams bei der Erstellung und Usability-Testung der Unterrichtsmaterialien. Somit werden Perspektiven von Menschen mit Lernschwierigkeiten von Anfang an in die Konzeption und Gestaltung der Qualifizierungsmaßnahme einbezogen. Dies entspricht nicht nur dem dem Projektverständnis inhärenten Inklusionsgedanken, sondern ermöglicht auch eine in hohem Maß zielgruppenorientierte Entwicklung.
Fortlaufende Evaluationen und Kommunikation zwischen allen Beteiligten erhöhen zudem stetig die Passgenauigkeit und Praxistauglichkeit der Qualifizierungsmaßnahme, ihrer Inhalte und Methoden. Arbeitgeber, Dozent_innen und Teilnehmende bringen ihre Ideen, Bedürfnisse und Bewertungen bereits vor Beginn sowie während der Qualifizierungsmaßnahme ein, sodass eine kontinuierliche Anpassung der Unterrichtskonzepte, -materialien und -methoden erfolgen kann.
Der erste Pilotdurchlauf der Qualifizierungsmaßnahme startet mit 12 Teilnehmenden aus dem gesamten Bundesgebiet im Herbst 2020. Im Sinne einer nachhaltigen Wirkung sollen die Teilnehmenden nach erfolgreicher Zertifizierung zur Büropraktiker_in Leichte Sprache im Sommer 2021 feste Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besetzen.
Zudem soll die Qualifizierungsmaßnahme durch die Kooperation mit bundesweit agierenden Bildungsträgern langfristig auf dem allgemeinen Arbeits- und Bildungsmarkt verankert werden.
Die erarbeiteten, mehrfach evaluierten und angepassten Lehrmaterialien und -methoden werden zum Paket gebündelt und mit einem Begleitkommentar zur Verfügung gestellt.
Zusätzlich werden die Projektergebnisse aufbereitet, publiziert und im Rahmen einer öffentlichen Tagung Ende des Jahres 2021 vorgestellt und diskutiert.
Bei dem beschriebenen Projekt handelt es sich um ein praxisorientiertes Interventionsprojekt mit großem gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Potential. Daher setzt sich das Projektteam nicht nur inklusiv, sondern auch interdisziplinär zusammen.
Eine wissenschaftliche Begleitung des Projekt bzw. einzelner Projektphasen oder -schwerpunkte ist gewünscht, intern jedoch nicht vorgesehen.
Das Projektteam ist an externen Kooperationen mit entsprechenden Wissenschaftler_innen oder wissenschaftlichen Institutionen sehr interessiert und damit offen für verschiedene Formen der Zusammenarbeit - ganz nach dem Projektmotto 'Gemeinsam zum Erfolg'.
Projektdaten
Beginn:
01.01.2018
Abschluss:
31.12.2021
Fördernummer:
01KM171101
Kostenträger:
- Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt
Projektleitung:
- N.N.
Institutionen:
CAB - Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH
Hanreiweg 9
86153 Augsburg
Telefon:
0821 58 98 00 40
E-Mail:
fachkraft-leichte-sprache@cab-b.de
Homepage:
https://fachkraft-leichte-sprache.de
Netzwerk Leichte Sprache e.V.
Homepage:
https://www.leichte-sprache.org/
Schrader, Sandra; Lindmeier, Bettina; Meyer, Dorothee [u.a.] (2021): Büros für Leichte Sprache. Eine bundesweite Studie zur Bestandsaufnahme der Tätigkeiten und Entwicklungstendenzen. In: Teilhabe, 60. Jahrgang (Heft 2), Seite 50-56, Marburg: Lebenshilfe-Verlag.
Referenznummer:
R/FO125817
Informationsstand: 22.04.2020