Für Menschen mit erworbener Hirnschädigung (MeH) existiert eine Bandbreite an Unterstützungsleistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation. Diese erreichen die Zielgruppe häufig nur unzureichend. Gründe liegen in der sozialrechtlichen Komplexität der Unterstützungsmöglichkeiten im Prozess der neurologischen Rehabilitation (VDR, 1995) und in den unterschiedlichen Zuständigkeiten im Rehabilitationsverlauf. Beides führt häufig zu Versorgungsbrüchen an den Sektorengrenzen und bedingt Unter- und Fehlversorgungen.
Im Rahmen eines Modellprojektes wird eine phasenübergreifende Rehabilitationsstrategie erprobt, um die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit (Return to Work, RTW) zu verbessern. Das Projekt läuft vom 01.11.2021 bis 31.10.2026, Antragstellerin ist die Deutsche Rentenversicherung Bund und wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben - rehapro".
Auf Grundlage des APC-Modells (Schwarz
et al., 2018) ist davon auszugehen, dass RTW als Zielzustand vor allem davon abhängt, dass alle Akteursgruppen drei Handlungsprinzipien verwirklichen: die Bereitschaft zur Anpassung an die neue Situation der Betroffenen (Adaptiveness), die Ausrichtung des eigenen Handelns am Ziel des RTW (Purposefulness) und die enge Kooperation aller in allen Phasen (Cooperativeness) sowie die von Beginn an multiprofessionell und arbeitsplatzbezogene Leistungsgestaltung.
Die Zielgruppe sind Erwerbstätige mit erworbener Hirnschädigung, die eine stationäre oder ganztägig ambulante Behandlung in Phase D beginnen, deren bisheriger Arbeitsplatz weiterhin besteht und die eine positive Erwerbsprognose haben, bei denen aber die Notwendigkeit berufsbezogener Interventionen erkennbar ist und deren voraussichtlicher Entlass-Status arbeitsunfähig lautet.
Der neue Ansatz bedeutet eine Flexibilisierung des Rehabilitationsverlaufs: Für die Zeiträume der bisherigen rehaklinischen und betrieblichen Phase werden keine Behandlungsdauern definiert. Ein Wechsel von einem Leistungsraum (Rehaklinik) in einen anderen (zum Beispiel stufenweise Wiedereingliederung) ist vice versa möglich und wird nicht durch separierte Bescheide reglementiert. Arbeitgeber:innen werden bereits von Beginn der Rehabilitation aktiv in die Planung einbezogen. Ein externes Fallmanagement koordiniert den Rehabilitationsprozess und steht auch nach RTW für eine nachgehende Begleitung zur Verfügung. Eine Fachkraft für betriebliche Intervention gewährleistet eine starke Arbeitsplatzorientierung, indem sie Rehabilitand:innen und Arbeitgeber:innen intensiv begleitet und berät. Die Flexibilisierung wird durch ein innovatives System einer Festvergütung ergänzt, welches ein von der gängigen Praxis abweichendes Anreizsystem verfolgt, Rehabilitand:innen so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich in einer Teilhabeleistung zu halten.
Eine innovative Rehastrategie für Menschen mit erworbener Hirnschädigung muss bedarfsorientiert ausgerichtet sein und bedeutet eine Neuorganisation der verschiedenen Schnittstellen im Rehabilitationsprozess. Es gilt herauszufinden, unter welchen Rahmenbedingungen die Intervention sozial und ökonomisch nachhaltig sein kann.