Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 25. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113
Abs. 5
VwGO. Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Ausnahmegenehmigung noch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag zu.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Gewährung einer Parkerleichterung für Schwerbehinderte ist § 46
Abs. 1
Nr. 11 StVO. Danach kann die Straßenverkehrsbehörde in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen von den Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen, Richtzeichen, Verkehrseinrichtungen oder Anordnungen erlassen sind.
Zu den Vorschrift- und Richtzeichen in diesem Sinne gehören u.a. die durch die Zeichen 283, 286, 290, 314, 315 und 325 StVO angeordneten Parkverbote
bzw. -beschränkungen. Zu den Parkerleichterungen, die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 StVO (VwV-StVO,
BAnz 2009,
S. 2050
ff. = VkBl. 2009,
S. 386
ff.) unter I. genannt werden, gehören
z.B. die Gestattung, im eingeschränkten Haltverbot bis zu drei Stunden zu parken, im Bereich eines Zonenhaltverbots die zugelassene Parkdauer zu überschreiten, in Fußgängerzonen während freigegebener Ladezeiten zu parken, an Parkuhren und Parkscheinautomaten ohne Gebühr und zeitliche Begrenzung zu parken, auf Parkplätzen für Anwohner bis zu drei Stunden zu parken und in verkehrsberuhigten Bereichen außerhalb der gekennzeichneten Flächen zu parken, sofern in zumutbarer Entfernung keine andere Parkmöglichkeit besteht. Nachgewiesen wird die Berechtigung entweder durch den (hellblauen)
EU-einheitlichen Parkausweis für behinderte Menschen (VkBl. 2000,
S. 624/625) oder durch einen besonderen (orangefarbenen) Parkausweis (
BAnz. 2009,
S. 2054/2056).
Die Ausnahmegenehmigung nach § 46
Abs. 1
Nr. 11 StVO umfasst dagegen nicht das Recht, auf Parkplätzen für Schwerbehinderte im Sinne des § 45
Abs. 1b
Nr. 2 StVO zu parken. Hierbei handelt es sich um Parkplätze, die mit dem Zusatzzeichen oder der Bodenmarkierung "Rollstuhlfahrersymbol" gekennzeichnet sind, (
vgl. Nr. IX.1c) der VwV-StVO zu § 45
Abs. 1 bis 1e). Zur Benutzung dieser Parkplätze berechtigt allein der (blaue)
EU-einheitliche Parkausweis.
Den Straßenverkehrsbehörden ist bei der Bewilligung der Ausnahmegenehmigung Ermessen eingeräumt. Das Merkmal der Ausnahmesituation ist Bestandteil der der Behörde obliegenden Ermessensentscheidung.
BVerwG, Urteil vom 13. März 1997 - 3 C 2.97 -, BVerwGE 104, 154.
Die Ermessensausübung unterliegt nach § 114 Satz 1
VwGO nur einer eingeschränkten richterlichen Überprüfung. Das Gericht kann insoweit nur prüfen, ob die Behörde das Ermessen überhaupt ausgeübt hat, ob sie bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Das Ermessen der Straßenverkehrsbehörden wird durch die aufgrund
Art. 84
Abs. 2
GG erlassene und am 4. Juni 2009 neugefasste VwV-StVO gelenkt und gebunden. Es handelt sich dabei nicht um eine Rechtsnorm, sondern um innerdienstliche Richtlinien, die keine unmittelbaren Rechte und Pflichten für den Bürger begründen. Sie entfalten im Verhältnis zum Bürger nur deshalb Wirkungen, weil die Verwaltung zur Wahrung des Gleichheitssatzes nach
Art. 3
Abs. 1
GG verpflichtet ist und sich demgemäß durch die pflichtgemäße Anwendung der Verwaltungsvorschriften selbst bindet. Maßgeblich ist die bestehende Verwaltungspraxis.
BVerwG, Beschluss vom 27. Dezember 1990 1 B 162.90 -, juris Rn. 5.
Die von der Beklagten auf dieser Grundlage getroffene Entscheidung ist ermessensfehlerfrei ergangen. Mit der Neufassung und Anwendung der bundesweit geltenden VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 hat sich die Verwaltungspraxis geändert (I.). Die Verwaltungsvorschrift weist inhaltlich keine Ermessensfehler auf; sie enthält eine willkürfreie und sachgerechte Regelung (II.). Die Straßenverkehrsbehörden sind nicht an die Stellungnahmen der Sozialbehörden gebunden, die diese im Wege der Amtshilfe abgeben; die Bindungswirkung des
§ 69 Abs. 5 Satz 1 SGB IX bezieht sich allein auf die in den Schwerbehindertenausweis einzutragenden Feststellungen (III.). Der Kläger gehört nicht zu dem in der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 genannten Personenkreis; in seinem Einzelfall bestehen keine atypischen Besonderheiten, die ein Abweichen von den in der Verwaltungsvorschrift genannten Fallgruppen rechtfertigen könnten (
IV.).
I. Durch die Neufassung der bundesweit geltenden VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 hat sich der Kreis der Anspruchsberechtigten geändert.
Nach
Nr. II.1 und 2 der früher geltenden VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 -
vgl. zur alten Fassung der VwV-StVO den Abdruck in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage 2009, § 46 StVO Rn. 18 - konnten Ausnahmegenehmigungen für Parkerleichterungen Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinden erteilt werden. Neben dieser bundesweiten Regelung fand in Nordrhein-Westfalen der Erlass des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 4. September 2001 (VI B 3-78-12/6) Anwendung. Um das Handeln der Straßenverkehrsbehörden aufgrund zunehmender Anträge von Personen ohne "aG"-Merkzeichen zu vereinheitlichen, wurden in diesem Erlass weitere Personengruppen genannt, die entsprechende Ausnahmegenehmigungen erhalten sollten. Hierzu gehörten Gehbehinderte mit dem Merkzeichen "G", sofern die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" nur knapp verfehlt wurden (anerkannter Grad der Behinderung mind. 70% und
max. Aktionsradius
ca. 100 m), Morbus-Crohn-Kranke und Colitis-Ulcerosa-Kranke mit einem hierfür anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 60% sowie Stomaträger mit doppeltem Stoma und einem hierfür anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 70%.
Durch die nunmehr erfolgte Neufassung der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 ist der Kreis der Personen, die aufgrund der bundesweit geltenden Regelung anspruchsberechtigt sind, erheblich erweitert worden. Zum Kreis der schwerbehinderten Personen, die regelmäßig für Parkerleichterungen in Betracht kommen, gehören nun gemäß
Nr. II der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 neben schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (
Nr. II.1 und 2) und blinden Menschen (
Nr. II.3a) auch schwerbehinderte Menschen mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen (
Nr. II.3b), schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen G und B und einem Grad der Behinderung von wenigstens 80 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken) (
Nr. II.3c), schwerbehinderte Menschen mit den Merkzeichen G und B und einem Grad der Behinderung von wenigstens 70 allein für Funktionsstörungen an den unteren Gliedmaßen (und der Lendenwirbelsäule, soweit sich diese auf das Gehvermögen auswirken) und gleichzeitig einem Grad der Behinderung von wenigstens 50 für Funktionsstörungen des Herzens oder der Atmungsorgane (
Nr. II.3d), schwerbehinderte Menschen, die an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa erkrankt sind, wenn hierfür ein Grad der Behinderung von wenigstens 60 vorliegt (
Nr. II.3e) sowie schwerbehinderte Menschen mit künstlichem Darmausgang und zugleich künstlicher Harnableitung, wenn hierfür ein Grad der Behinderung von wenigstens 70 vorliegt (
Nr. II.3f).
Landesspezifische Ermessensrichtlinien existieren daneben nicht mehr. Im Hinblick auf die Neufassung der bundesweit geltenden VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 hat das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen mit Erlass vom 2. Juli 2009 (III 7 -78 - 12/6) den früher geltenden Erlass vom 4. September 2001 aufgehoben. Das Ministerium hat ferner im Erlass vom 2. Juli 2009 klargestellt, dass Ausnahmegenehmigungen und Parkausweise künftig nur noch nach den neuen bundeseinheitlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erteilen sind; das gilt ebenso für Änderungen und Verlängerungen bestehender Ausnahmegenehmigungen und Parkausweise. Landesspezifische Ausnahmegenehmigungen und Parkausweise sind in Nordrhein-Westfalen, anders als
z.B. in Mecklenburg-Vorpommern (Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Verkehr, Bau und Landesentwicklung vom 16. Oktober 2009 - VIII 210 -621-24-549 -, AmtsBl. M-V 2009
S. 869) und in Sachsen-Anhalt (Runderlass des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr vom 15. Februar 2010 35.2-30051 -, MBl. LSA 2010,
S. 109) nicht vorgesehen.
Im Ergebnis ist damit bundesweit der Kreis der anspruchsberechtigten Personen deutlich erweitert worden, während bezogen auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen durch Verzicht auf die Weiterführung der landesspezifischen Ausnahmeregelungen der Personenkreis insofern eingeschränkt worden ist, als nunmehr gehbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen "G" und einem maximalen Aktionsradius von
ca. 100 m, die weder über das Merkzeichen "aG" noch über das Merkzeichen "B" verfügen, nicht mehr erfasst sind.
II. Die Änderung der bundesweiten Verwaltungsvorschrift und der Verzicht auf die Weiterführung landesspezifischer Ausnahmen durch den nordrhein-westfälischen Erlassgeber sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Änderung ist sachlich gerechtfertigt (1.) und auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten (2.) sowie unter dem Gleichbehandlungsaspekt nicht zu beanstanden (3.). Im Übrigen bleibt es der Behörde unbenommen, in atypischen Fällen von der Verwaltungsvorschrift abzuweichen (4.).
1. Aus sachgerechten Erwägungen kann eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift durch eine andere Verwaltungsvorschrift aufgehoben oder in Einzelpunkten geändert werden. Die Selbstbindung der Verwaltung wird durch deren Änderungsbefugnis begrenzt. Das Gleichbehandlungsgebot des
Art. 3
Abs. 1
GG schließt nicht die Befugnis der Verwaltung aus, sich jederzeit von der Ermessensbindung durch das bisherige Handlungsprogramm zu lösen und das Ermessen in anderer Weise zu binden. Die Änderungsbefugnis wird lediglich insofern durch
Art. 3
Abs. 1
GG eingeschränkt, als die Änderung nur aus willkürfreien Erwägungen erfolgen darf. Dem ist schon dann Genüge getan, wenn die Änderung auf neuen Erfahrungen oder einer geänderten Konzeption beruht.
Seibert, Die Einwirkung des Gleichheitssatzes auf das Rechtsetzungs- und Rechtsanwendungsermessen der Verwaltung, in: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, 2003,
S. 535/545
m.w.N.Diesen Anforderungen genügen sowohl die Neufassung der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 als auch die Aufhebung des nordrhein-westfälischen Erlasses vom 4. September 2001 durch den Erlass vom 2. Juli 2009. Ziel der Änderung der bundesweit geltenden VwV-StVO war es, die unterschiedlichen gesundheitlichen Voraussetzungen und Parkerleichterungen sowie die uneinheitlichen Parkausweise in den einzelnen Bundesländern im Rahmen einer bundeseinheitlichen Regelung umfassend anzugleichen.
Begründung zur VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 StVO,
BAnz. 2009,
Nr. 84,
S. 2050/2053; Beschluss der Verkehrsministerkonferenz am 18./19. April 2007, TOP 4.4
Nr. 2, 3.
Durch diese Angleichung wird die Handhabung der Parkerleichterungen in der Verwaltungspraxis vereinfacht.
Dies gilt zunächst für den räumlichen Geltungsbereich, weil die von den Straßenverkehrsbehörden erteilten Ausnahmegenehmigungen nunmehr im Wesentlichen einheitlich im gesamten Bundesgebiet gelten, ohne dass hierfür länderübergreifende Anerkennungen ausgesprochen werden müssten. Ferner wird die Verwaltungspraxis auch im Hinblick auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Parkerleichterung vereinheitlicht und vereinfacht. Dies gilt insbesondere im Vergleich zum früher geltenden nordrhein-westfälischen Erlass aus dem Jahre 2001. Die hiernach erforderliche Feststellung, welche maximale Wegstrecke ein Gehbehinderter noch zurücklegen kann, war in der Praxis schwer handhabbar. Einerseits war den Akten der Versorgungsverwaltung nicht immer eine eindeutige Feststellung zu diesem Kriterium zu entnehmen; andererseits war es auch für den ärztlichen Gutachter im sozialrechtlichen Verfahren schwer zu erkennen, welche konkrete Strecke ein Gehbehinderter noch zurücklegen kann. Durch die Neufassung der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 ist dieses Kriterium für den Bereich der Gehbehinderungen ersetzt worden durch die Bezugnahme auf bestimmte Merkzeichen sowie das Vorliegen eines Mindest-Grades der Behinderung für bestimmte Funktionsstörungen. Beide Kriterien lassen sich in der Regel ohne Weiteres nach Aktenlage feststellen: Die Eintragung bestimmter Merkzeichen wird durch den Schwerbehindertenausweis nachgewiesen, § 69
Abs. 5 Satz 1
SGB IX . Die Feststellung des Einzel-Grades der Behinderung, der für eine bestimmte Funktionsbeeinträchtigung zuerkannt worden ist, lässt sich ebenfalls den Akten der Sozialverwaltung entnehmen, da er die Grundlage für die Berechnung des Gesamt-Grades der Behinderung bildet.
Vgl. dazu im Einzelnen Teil A, Vorbemerkung und
Nr. 3, der Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1
Abs. 1 und 3, des § 30
Abs. 1 und des § 35
Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (Versorgungsmedizin-Verordnung -
VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Anlageband zum BGBl. I
Nr. 57).
Dass das weitere Ziel der neugefassten VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11, den Berechtigtenkreis um mehrere Personengruppen zu erweitern, Begründung zur VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11,
BAnz. 2009,
Nr. 84,
S. 2050/2052, in Nordrhein-Westfalen aufgrund der Aufhebung des Erlasses vom 4. September 2001 für die Personengruppe der Gehbehinderten nicht erreicht wird - hier wird der Kreis der Ausnahmeberechtigten eingeschränkt - macht die Neufassung der Verwaltungsvorschrift nicht willkürlich und ist vor dem Hintergrund der dargestellten Vorteile der Vereinheitlichung nicht zu beanstanden.
2. Auch der Grundsatz des Vertrauensschutzes steht der Neufassung der bundesweit geltenden VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 und der daraufhin erfolgten Aufhebung des nordrhein-westfälischen Erlasses aus dem Jahr 2001 nicht entgegen. Da ermessensbindende Verwaltungsvorschriften unter dem Vorbehalt ihrer Änderung stehen, begründen sie grundsätzlich keinen Vertrauensschutz für die Zukunft.
Seibert, a.a.O.,
S. 535/545
m.w.N.Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes begegnet eine Änderung allenfalls dann Bedenken, wenn nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände nachteilig eingegriffen wird.
BVerwG, Urteil vom 8. April 1997 - 3 C 6.95 -, BVerwGE 104, 220, und Beschluss vom 1. Juni 1979 - 6 B 33.79 -, NJW 1980, 75; Wolff, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.),
VwGO, 3. Auflage 2010, § 114 Rn. 103.
Das ist bei der Neufassung der hier maßgeblichen Verwaltungsvorschriften nicht der Fall. Die bisher aufgrund der nordrhein-westfälischen Erlasslage erteilten befristeten Ausnahmegenehmigungen haben gemäß dem Erlass vom 2. Juli 2009 ihre Gültigkeit bis zum Ablauf des genannten Gültigkeitszeitraums und innerhalb ihres räumlichen Geltungsbereichs behalten. Hierdurch wird dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ausreichend Rechnung getragen. Weitergehende Übergangsregelungen waren nicht erforderlich. Sollten hierdurch im Einzelfall untragbare Verhältnisse entstehen,
vgl. BVerwG, Urteil vom 8. April 1997, a.a.O. Rn. 32,
etwa aufgrund von Besonderheiten der örtlichen Parksituation, so kann dem durch entsprechende Ermessensausübung im Einzelfall Rechnung getragen werden.
3. Die Bestimmung des Personenkreises, der nach der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 infolge von Gehbehinderungen Anspruch auf die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hat, ist inhaltlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kreis der Anspruchsberechtigten wird nicht gleichheitswidrig eingeschränkt.
Maßstab für die Überprüfung ist insofern
Art. 3
Abs. 1
GG. Durch die Verwaltungsvorschriften wird eine einheitliche Handhabung des vom Gesetz eingeräumten Ermessens in einer Vielzahl von Fällen gewährleistet. Das Handlungsprogramm der Verwaltung muss dabei inhaltlich den Vorgaben des
Art. 3
Abs. 1
GG genügen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, eine Gruppe von Regelungsadressaten im Vergleich zu einer anderen anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen.
Seibert, a.a.O,
S. 535/547
m.w.N.Zu dem von der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 erfassten Personenkreis im Bereich der hier allein zu betrachtenden Gehbehinderungen gehören einerseits Behinderte mit dem Merkzeichen "aG" (
Nr. II.1) sowie andererseits Behinderte mit den Merkzeichen "G" und "B", wobei in diesem Fall ein Mindestgrad der Behinderung für einzelne Funktionsstörungen hinzukommen muss (
Nr. II.3c und d).
Die Definition für den Personenkreis, dem das Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung
i.S.d. § 6
Abs. 1
Nr. 14 StVG
i.V.m. § 45
Abs. 1b
Nr. 2 StVO) zuzuerkennen ist, ergibt sich aus der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11,
Nr. II.1, sowie gleichlautend aus
Teil D Nr. 3 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind demnach solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittgelähmte, doppeloberschenkelamputierte, doppelunterschenkelamputierte, hüftexartikulierte und einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- und armamputiert sind sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Das Merkzeichen "G" erhält gemäß
§ 146 Abs. 1 SGB IX, wer in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, d.h. wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt gemäß Teil D
Nr. 1 der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
Zur Mitnahme einer Begleitperson - nachzuweisen durch das Merkzeichen "B" - sind gemäß § 146
Abs. 2 Satz 1
SGB IX schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Nach Teil D
Nr. 2 der Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung wird das Merkzeichen "B" erteilt, wenn schwerbehinderte Menschen, bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "Gl" (Gehörlosigkeit im Sinne des
Teil D Nr. 4 der Anlage zu
§ 2 Versorgungsmedizin-Verordnung) oder "H" (Hilflosigkeit im Sinne von § 33b
Abs. 6 EStG) vorliegen, bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder wenn Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (
z.B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind. Die Berechtigung für eine ständige Begleitung ist anzunehmen bei Querschnittgelähmten, Ohnhändern, Blinden und Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.
Vgl. auch Goebel, in: jurisPK-SGB IX, 1. Auflage 2010, Stand: 14. März 2011, § 69 Rn. 36.
Für den von
Nr. II.3c) und d) erfassten Personenkreis hat die Gruppe der Querschnittgelähmten, Ohnhänder und Blinden keine eigenständige Bedeutung, da diese Behinderungen bereits durch
Nr. II.1 und
Nr. II.3a) und b) der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 erfasst werden; von Relevanz ist insofern die Gruppe der Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken.
Erfasst sind demnach zwei Personenkreise. Gehbehinderungen ohne Hinzutreten weiterer Leiden reichen nach der Konzeption des Erlassgebers erst dann für die Bewilligung von Parkerleichterungen aus, wenn die Schwelle für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" überschritten ist. Ist eine Gehbehinderung nicht derart schwerwiegend, so wird die Bewilligung von Parkerleichterungen an das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen - nämlich von Sehbehinderungen, Hörbehinderungen, geistigen Behinderungen oder Anfallskrankheiten - geknüpft, die die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigen. Diese abgestufte Regelung, nach der Gehbehinderten nur unter sehr engen Voraussetzungen eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird, ist nicht zu beanstanden. Es entspricht dem Sinn und Zweck der Ausnahmegenehmigung nach § 46 StVO, eine solche nur bei besonderer Dringlichkeit unter strengen Anforderungen an den Nachweis der Ausnahmevoraussetzungen zu erteilen.
Vgl. VwV-StVO zu § 46 Rn. 1; Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 46 StVO Rn. 23.
Bewusst vom anspruchsberechtigten Personenkreis der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 ausgenommen sind dagegen andere gehbehinderte Menschen, insbesondere solche, denen nach der früher in Nordrhein-Westfalen geltenden Erlasslage eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden konnte, weil sie das Merkmal "aG" knapp verfehlt haben. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Verwaltungsvorschrift. Die an den Bundesrat gerichtete Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik und des Ausschusses für Innere Angelegenheiten, statt auf die Merkzeichen "G" und "B" allein auf das Merkzeichen "G" abzustellen, Empfehlungen der Ausschüsse zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung, BR-Drs. 990/1/08 vom 19. Februar 2009,
S. 3 f., hat nicht zu einer Änderung der Verwaltungsvorschrift geführt. Der Erlassgeber wollte demnach Gehbehinderungen unterhalb der Schwelle für die Zuerkennung des Merkmals "aG", bei denen keine zusätzlichen relevanten Leiden hinzutreten, bewusst ausklammern.
Dieser Entscheidung hat sich der nordrhein-westfälische Erlassgeber angeschlossen. In der Begründung zum nordrhein-westfälischen Erlass vom 2. Juli 2009 wird ausdrücklich ausgeführt, dass durch die neuen bundeseinheitlichen Parkerleichterungen für besondere Personengruppen eine weitestgehende, aber keine 1:1-Deckungsgleichheit mit den in den Erlassen vom 4. September 2001 und vom 12. Februar 2002 privilegierten schwerbehinderten Menschen erzielt werde. Auch der nordrhein-westfälische Erlassgeber hat daher durch seinen in Kenntnis der mangelnden Deckungsgleichheit erfolgten Verzicht auf eine landesspezifische Ausnahmeregelung deutlich gemacht, dass eine Weiterführung des früheren Ausnahmetatbestandes nicht beabsichtigt ist.
Diese bewusste Nichtberücksichtigung von Gehbehinderungen, die die Schwelle für die Zuerkennung der Merkzeichen "aG" oder "B" nicht überschreiten, ist unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Ein sachlicher Grund für die Schlechterstellung liegt bereits in der unterschiedlichen Intensität der gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Ein Gleichheitsverstoß in Bezug auf die sonstigen in der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 genannten Fallgruppen - Blindheit, beidseitige Amelie oder Phokomelie, schwerwiegende Darmerkrankungen - lässt sich bereits deswegen nicht feststellen, weil diese Ausnahmetatbestände nicht an Einschränkungen des Gehvermögens anknüpfen und die Auswirkungen der unterschiedlichen Beeinträchtigungen in ihrer Intensität nicht ohne Weiteres mit derjenigen von Gehbehinderten vergleichbar sind.
4. Im Übrigen regelt die VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 den Personenkreis, der für Ausnahmegenehmigungen in Betracht kommt, nicht abschließend. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften hindern die Behörde nicht generell, ihr Ermessen in begründeten anders gelagerten Fällen abweichend auszuüben. Durch derartige Verwaltungsvorschriften wird vielmehr das gesetzlich eingeräumte Ermessen abstrakt wahrgenommen und der Behörde zur Einzelfallentscheidung eine Orientierung gegeben. Es entspricht jedoch dem Sinn und Zweck einer Ermessensermächtigung, dass die Ermessensausübung nicht nach einem starren Schema erfolgt.
BVerwG, Beschluss vom 27. Dezember 1990 1 B 162.90 -, juris Rn. 6;
OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2006 - 8 A 2345/05 -.
Insbesondere in solchen Fällen, in denen sich ein Antragsteller auf eine nicht von den Fallgruppen der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 erfasste Behinderung beruft, hat die Straßenverkehrsbehörde den ihr durch das Ermessen eingeräumten Entscheidungsspielraum wahrzunehmen; sie hat in besonders gelagerten atypischen Fällen, die nicht in genereller Weise durch die Verwaltungsvorschriften vorentschieden sind, die ihr vom Gesetzgeber aufgegebene Bewertung des Sachverhalts im Rahmen einer Einzelfallwürdigung vorzunehmen. Dazu gehört die Feststellung, ob sonstige besondere Umstände vorliegen, die bei einem wertenden Vergleich mit den in der Verwaltungsvorschrift angeführten Fallgruppen eine vergleichbare Entscheidung rechtfertigen.
OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2006 - 8 A 2345/05 -.
Solche Fälle sind auch nach der neugefassten VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 denkbar. Zwar ist der Personenkreis, der aufgrund der bundesweit geltenden Verwaltungsvorschriften für Parkerleichterungen in Betracht kommt, über die Fälle der außergewöhnlichen Gehbehinderung und der Blindheit hinaus erweitert worden. Es sind aber dennoch Fallgestaltungen möglich, die von den aufgezählten Fallgruppen nicht erfasst werden und in denen physische oder auch psychische Beeinträchtigungen vorliegen, die in ihren Auswirkungen mit den von der Verwaltungsvorschrift erfassten Krankheiten und Behinderungen zu vergleichen sind.
Vgl. hierzu
OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2006 - 8 A 2345/05 - ;
VG Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2011 -
6 K 3031/10 - , juris.
In diesen Fällen besteht keine Bindung an die in der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 genannten Fallgruppen, sondern die Straßenverkehrsbehörde muss eine auf die konkreten Umstände des Einzelfalles bezogene Prüfung vornehmen, ob eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann.
III. Soweit es für die Entscheidung über die Ausnahmegenehmigung auf die Feststellung des (Gesamt-)Grades der Behinderung oder das Vorliegen
bzw. Nichtvorliegen von Merkzeichen ankommt, sind die Straßenverkehrsbehörden an die Feststellungen der für Aufgaben des Schwerbehindertenrechts zuständigen Behörden (in Nordrhein-Westfalen die Kreise und kreisfreien Städte) gebunden. Das ergibt sich aus § 69
Abs. 5
S. 2
i.V.m. § 69 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGB IX. Danach dient der Schwerbehindertenausweis dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 des
SGB IX oder nach anderen Vorschriften zustehen. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, über das Vorliegen und den Grad der Behinderung sowie über das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale in einem einheitlichen Verfahren zu entscheiden und durch die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises sicherzustellen, dass der behinderte Mensch gegenüber jedermann die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen nachweisen kann.
OVG NRW, Beschluss vom 22. August 1996 25 A 5167/94 -.
Bindungswirkung kommt dabei nicht nur den im Schwerbehindertenausweis dokumentierten positiven Feststellungen über gesundheitliche Merkmale im Sinne des § 69
Abs. 4
SGB IX zu, sondern auch den negativen Feststellungen, dass solche Merkmale nicht vorliegen.
OVG NRW, Beschluss vom 22. August 1996 25 A 5167/94 -.
Eine über die Feststellungen des Schwerbehindertenausweises hinaus gehende Bindungswirkung besteht hingegen nicht. Die Straßenverkehrsbehörden sind insbesondere nicht an die Stellungnahmen der Sozialbehörden gebunden, die diese - in Übereinstimmung mit dem Erlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen (Erlass vom 2. Juli 2009, III.7 - 78 - 12/6) - im Wege der Amtshilfe nach Aktenlage abgeben. Die Bindungswirkung des § 69
Abs. 5
S. 2
SGB IX bezieht sich allein auf die in den Schwerbehindertenausweis einzutragenden Feststellungen, also das Vorliegen einer Behinderung und den (Gesamt-)Grad der Behinderung (§ 69
Abs. 1
S. 1
SGB IX) sowie die weiteren gesundheitlichen Merkmale (§ 69
Abs. 4
SGB IX), nicht auch auf sonstige Stellungnahmen der Sozialverwaltung zum Vorliegen bestimmter Krankheiten oder Funktionsbeeinträchtigungen.
Eine Bindung an versorgungsbehördliche Stellungnahmen ergibt sich auch weder aus der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 noch aus dem nordrhein-westfälischen Erlass vom 2. Juli 2009.
Die VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 enthält kein förmliches sozialrechtliches Feststellungsverfahren für alle gesundheitlichen Merkmale, die für die Bewilligung der Parkerleichterungen von Bedeutung sind.
So aber wohl
VG Sigmaringen, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 8 K 2267/07 -, juris Rn. 23, unter Verweis auf Dau, jurisPR-SozR 15/2009
Anm. 6.
Dies ergibt sich auch nicht aus dem Verweis in Rn. 133 der VwV-StVO, wonach die Rn. 118 bis 132 sinngemäß auf die hier in Rede stehenden Personengruppen anzuwenden sind. Zwar wird in Rn. 130 der VwV-StVO von "versorgungsärztlicher Feststellung" gesprochen. Diese betrifft jedoch lediglich die im sozialrechtlichen Verfahren zu treffende Feststellung, ob die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" vorliegen. Ein entsprechendes Merkzeichen für die Personengruppen der
Nr. II.3b) bis f) der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 wäre zwar möglicherweise wünschenswert, existiert bisher aber gerade nicht.
Vgl. zu den möglichen Merkzeichen
§ 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1739), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I 2904).
Auch der nordrhein-westfälische Erlass vom 2. Juli 2009 hindert die Straßenverkehrsbehörde nicht, aus gegebenem Anlass die Stellungnahme der Versorgungsbehörde in Frage zu stellen oder von ihr abzuweichen. Der Formulierung "Die für die Versorgung zuständigen Behörden werden in Amtshilfe tätig und geben eine Stellungnahme nach Aktenlage ab" lässt sich nicht entnehmen, dass diese Stellungnahme auch bei substantiierten Zweifeln an ihrer Richtigkeit (
z.B. bei Vorlage von ärztlichen Gutachten durch den Antragsteller) oder bei Vorliegen neuer Erkenntnisse bindend sein soll. Sollte das Vorliegen von Umständen, die nicht der Bindungswirkung nach § 69
Abs. 5
SGB IX unterfallen -
z.B. das Vorliegen bestimmter Erkrankungen oder bestimmter Funktionsbeeinträchtigungen - streitig sein und sich nach Aktenlage nicht klären lassen, kann eine weitere Sachverhaltsaufklärung - u.U. auch durch Einholung von Sachverständigengutachten - erforderlich werden.
Unabhängig von der fehlenden Bindung der Straßenverkehrsbehörden sind die Verwaltungsgerichte jedenfalls weder aufgrund von Verwaltungsvorschriften noch aufgrund einer bestimmten Behördenpraxis an Stellungnahmen der Sozialverwaltung gebunden. Verwaltungsvorschriften wären als innerdienstliche Richtlinien nicht geeignet, eine Bindung mit Außenwirkung auch gegenüber den Verwaltungsgerichten anzuordnen. Eine Behördenpraxis, Stellungnahmen der Sozialverwaltung ungeprüft zu übernehmen, würde nicht etwa über den Gleichheitssatz (s.o.) zu einer gleichgerichteten Pflicht der Verwaltungsgerichte führen. Diese sind vielmehr im Rahmen des gebotenen effektiven Rechtsschutzes (
Art. 19
Abs. 4
GG) gehalten, substantiierten Zweifeln an einer versorgungsärztlichen Stellungnahme nachzugehen.
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen,
Urteil vom 9. Februar 2010
14 K 2291/09 , juris Rn. 53,
ist eine Inzidentkontrolle der "Feststellungen" der Versorgungsverwaltung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegen die Straßenverkehrsbehörde auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verwaltungsrechtsweg gegen Entscheidungen der Versorgungsverwaltung nicht eröffnet ist. Bei den hier in Rede stehenden Stellungnahmen der Sozialverwaltung im Rahmen der Amtshilfe handelt es sich nicht um "Entscheidungen" im Sinne eines Verwaltungsakts. Im Übrigen sind Gerichte - im deutschen Rechtskreis - befugt und verpflichtet, alle (Vor-)Fragen, die für ihre Entscheidung präjudiziell sind, selbstständig und in eigener Zuständigkeit zu beurteilen.
Ebenso wenig begründet das Fehlen einer Bindungswirkung die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen zwischen Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Hinblick auf die hier fraglichen Stellungnahmen der Sozialverwaltung.
So aber
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 9. Februar 2010 - 14 K 2291/09 - , juris Rn. 52.
Die für Versorgungsfragen zuständigen Behörden stellen gemäß § 69
Abs. 1 und
Abs. 4
SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen lediglich das Vorliegen einer Behinderung, den Grad der Behinderung und weitere gesundheitliche Merkmale fest. Dementsprechend entscheiden auch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51
Abs. 1
Nr. 7
SGG lediglich über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 69
SGB IX. Eine sachliche und rechtliche Überprüfung der im Rahmen der Amtshilfe abgegebenen Stellungnahme der Sozialverwaltung durch die Sozialgerichtsbarkeit erfolgt gerade nicht. Nur im Verwaltungsverfahren auf Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung und im anschließenden Verwaltungsprozess besteht daher die Möglichkeit, die Richtigkeit der Stellungnahme der Versorgungsverwaltung inzident zu überprüfen.
IV. Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Parkerleichterung. Er gehört nicht zu dem Personenkreis, dem nach der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 Parkerleichterungen zu bewilligen sind; darüber hinaus bestehen in seinem Fall auch keine atypischen Besonderheiten, die ein Abweichen von den Fallgruppen der Verwaltungsvorschrift rechtfertigen.
1. Der Kläger gehört nicht zu dem in der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 genannten Personenkreis. Da der Kläger gehbehindert ist, kommen von vornherein lediglich die Fallgruppen der
Nr. II.1 sowie
Nr. II.3c) oder d) der VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 in Betracht. Die dort genannten Voraussetzungen erfüllt der Kläger bereits deswegen nicht, weil in seinem Schwerbehindertenausweis weder das Merkzeichen "aG" noch kumulativ die Merkzeichen "G" und "B" eingetragen sind. An die fehlende Eintragung der Merkmale "aG" und "B" ist die Beklagte nach den obigen Ausführungen (unter III.) gebunden. Auf die Ausführungen des Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren, auf die der Kläger sich beruft, kommt es daher nicht an. Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Merkzeichens "aG" bei ihm vorliegen, muss er dies bei der Kreisverwaltung als der für Aufgaben des Schwerbehindertenrechts zuständigen Behörde geltend machen und auf die Eintragung des Merkzeichens "aG" hinwirken.
2. Anhaltspunkte dafür, dass der Einzelfall des Klägers besonders gelagerte atypische Umstände aufweist, die nicht in genereller Weise durch die Verwaltungsvorschriften vorentschieden sind, bestehen nicht.
Dies gilt zunächst für den Umstand, dass dem Kläger auf der Grundlage des früher geltenden nordrhein-westfälischen Erlasses vom 4. September 2001 bisher eine Ausnahmegenehmigung bewilligt worden ist. Wie oben dargestellt haben sowohl die VwV-StVO zu § 46
Abs. 1
Nr. 11 als auch der nordrhein-westfälische Erlass vom 2. Juli 2009 zugunsten der bundeseinheitlichen Regelung bewusst von der Weiterführung landesspezifischer Ausnahmetatbestände abgesehen.
Auch aus den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers ergeben sich keine atypischen Besonderheiten. Der Erlassgeber hat - wie oben dargelegt - Fälle von Gehbehinderungen, in denen weder das Merkzeichen "aG" noch das Merkzeichen "B" zuerkannt wurde, bewusst nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten aufgenommen. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger andere gesundheitliche Beeinträchtigungen vorliegen, die einen atypischen Ausnahmefall begründen könnten, bestehen nicht.
Die Ermessensausübung der Beklagten ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vom Regelfall abweichenden Fallkonstellation, dann begründet es keinen Ermessensmangel, wenn die Behörde ohne weitere auf den Einzelfall bezogene Ermessenserwägungen nach Maßgabe der Verwaltungsvorschrift entscheidet.
BayVGH, Beschluss vom 15. September 2010 - 14
ZB 10.715 -, juris Rn. 6
m.w.N.Die Kostenentscheidung beruht auf § 154
Abs. 2
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO i.V.m. den §§ 708
Nr. 10 und 711
ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132
Abs. 2
VwGO liegen nicht vor.