Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153
Abs. 1 in Verbindung mit § 110
Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage mit der angegriffenen Entscheidung zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 29. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der von ihm begehrten Merkzeichen.
Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Merkzeichens "G" sind nicht erfüllt.
Gemäß
§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Über das Vorliegen der damit angesprochenen gesundheitlichen Merkmale treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen (
§ 69 Abs. 1 und 4 SGB IX). Nach
§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nichtbehinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 10. Dezember 1987,
9a RVs 11/87, BSGE 62, 273 = SozR 3870 § 60
Nr. 2). Allerdings ist es für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht ausreichend, dass diese Wegstrecke nicht in dem genannten Zeitraum bewältigt werden kann.
Denn
Nr. 30
Abs. 3 bis 5 der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (
AHP) in den hier maßgeblichen Fassungen von 2005 und 2008
bzw. Teil D Nr. 1d der in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2412) geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, um annehmen zu können, dass ein behinderter Mensch infolge einer Einschränkung des Gehvermögens in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, gehören. Von all diesen Faktoren filtern die Anhaltspunkte diejenigen heraus, die außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die Anhaltspunkte beschreiben dabei Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (
BSG, Urteil vom 13. August 1997,
9 RVs 1/96, SozR 3-3870 § 60
Nr. 2).
Die in
Nr. 30
Abs. 3 der
AHP bzw. in Teil D
Nr. 1d der Anlage zu § 2
VersMedV aufgeführten Fallgruppen liegen hier nicht vor.
Die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr lässt sich insbesondere nicht auf eine behinderungsbedingte Einschränkung des Gehvermögens gründen, da bei dem Kläger keine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen
GdB von wenigstens 50 bedingen (
vgl. Nr. 30
Abs. 3 Satz 1 der
AHP bzw. Teil D
Nr. 1d Satz 1 der Anlage zu § 2
VersMedV). Nach der überzeugenden Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen
Dr. E und M sind die Funktionsbehinderungen des rechten Hüftgelenks und der Kniegelenke mit einer Beinverkürzung von 2
cm mit einem
GdB von 30 sowie die schmerzhafte Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule vom einem
GdB von 20 zu bewerten. Entgegen der Ansicht des Gutachters
Dr. E ist hieraus kein
GdB von 50 zu bilden. Nach
Nr. 19
Abs. 1 der
AHP bzw. Teil A
Nr. 3a der Anlage zu § 2
VersMedV dürfen bei der Ermittlung des Gesamt-
GdB die einzelnen Werte der betreffenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht addiert werden. Vielmehr ist es nach
Nr. 19
Abs. 4 der
AHP bzw. Teil A Nr. 3d der Anlage zu § 2 VersMedV bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem
GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Unter der Annahme, dass die Behinderungen der Lendenwirbelsäule und der unteren Extremität sich gegenseitig negativ verstärkend auf die Gehfähigkeit des Klägers auswirken, ist allenfalls eine Erhöhung des
GdB um 10 auf 40 möglich.
Damit sind bei dem Kläger Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem
GdB unter 50 gegeben sind, die nach
Nr. 30
Abs. 3 Satz 2 der
AHP bzw. Teil D
Nr. 1d Satz 2 der Anlage zu § 2
VersMedV nur dann die Zuerkennung des Merkzeichens erlauben, wenn sie sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Dies ist beispielsweise bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheiten mit einem
GdB von 40 anzunehmen. Derartige Behinderungen liegen bei dem Kläger nicht vor.
Zwar kann nach
Nr. 30
Abs. 3 Satz 3
AHP bzw. Teil D
Nr. 1d Satz 3 der Anlage zu § 2
VersMedV die Zuerkennung des Merkzeichens "G" auch auf innere Leiden gestützt werden, jedoch ist hierfür nichts ersichtlich. Vor allem ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 anzunehmen (
vgl. Nr. 30
Abs. 3 Satz 4
AHP bzw. Teil D
Nr. 1d Satz 4 der Anlage zu § 2
VersMedV). Eine Herzerkrankung dieses Grades hat der Gutachter M ausdrücklich ausgeschlossen. Ebenso wenig hat sich eine auf die Gehfähigkeit auswirkende Gleichgewichtsstörung objektivieren lassen. Der Kläger selbst hat gegenüber dem Sachverständigen von Drehschwindelattacken berichtet, die allerdings abends im Bett vor dem Einschlafen aufgetreten sind.
Da die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "G" nicht vorliegen und der Kläger weder gehörlos noch hilflos ist, kommt die Zuerkennung des Merkzeichens "B" nach
Nr. 32
AHP bzw. Teil D Nr. 2 der Anlage zu § 2 VersMedV nicht in Betracht.
Die nach § 193
Abs. 1 Satz 1
SGG zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Kläger mit seiner Berufung keinen Erfolg hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160
Abs. 2
SGG) sind nicht erfüllt.