Das
LSG Niedersachsen-Bremen wies die Berufung des Klägers zurück. Der Mehrbedarf könne erst ab dem tatsächlichen Innehaben des Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen G geleistet werden. Unter dem Gesichtspunkt, dass der Ausweis lediglich Nachweisfunktion für das besondere Merkzeichen habe, stellte das Gericht zunächst Erwägungen über ein weites Verständnis des
§ 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII an. Unter Berücksichtigung vergleichbarer Vorschriften und hierzu ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung meinte es sodann in einer deutlichen Kehrtwendung, dass für eine weite Auslegung nichts gewonnen werden könne. Zwar habe das Bundessozialgericht für den Rentenbeginn nach § 236a
Abs. 1
SGB VI eine rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft genügen lassen. Andererseits wurde eine rückwirkende Inanspruchnahme von Beförderungsleistungen nach
§ 145 SGB IX ausgeschlossen. Angeführt wird ebenso eine Entscheidung über den Bezug von Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz für Ausländer nach der Vorschrift des § 1
Abs. 6 BErzGG. Auch danach sei es auf das tatsächliche Innehaben eines Aufenthaltstitels angekommen und nicht darauf, ob dieser früher hätte erteilt werden können oder müssen.
Schlussfolgernd resümiert das Gericht, dass eine einheitliche Auslegung unmöglich sei und vielmehr eine Betrachtung der jeweiligen Regelung im Einzelfall erfolgen müsse. Für die gebotene Einzelfallbetrachtung komme es dann doch wieder auf den Wortlaut des hier in Frage stehenden § 30
Abs. 1
Nr. 2
SGB XII an. Wie schon dessen Vorgängerregelung im GSiG, so knüpfe auch § 30
Abs. 1
Nr. 2
SGB XII in seiner alten Fassung an den "Besitz" des Ausweises an. Es genüge nicht, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen G vorlägen; vielmehr gehe es um den Nachweis dieser Voraussetzungen, der nur mit dem Ausweis und damit auch erst nach dessen Ausstellung erbracht werden könne. Auch nach der Neufassung des § 30
Abs. 1
Nr. 2
SGB XII ab dem 7. Dezember 2006 habe der Gesetzgeber von der bisherigen Interpretation nicht abweichen wollen. Mit der eingefügten Gleichsetzung von bekanntgegebenem Feststellungsbescheid und Schwerbehindertenausweis sollte lediglich der Zeitraum zwischen dem Ergehen des Feststellungsbescheides und der Ausstellung des entsprechenden Ausweises zugunsten der Leistungsberechtigten erfasst werden. Von einer rückwirkenden Zuerkennung für Zeiten vor der Erteilung des Feststellungsbescheides sei in Ermangelung eines Hinweises auf dahingehende gesetzgeberische Erwägungen weiterhin nicht auszugehen.